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Diese Maschine kann per E-Mail verschickte DNA ausdrucken – und könnte die Medizin revolutionieren

Der ewige Sci-Fi-Traum von der “biologischen Teleportation” rückt langsam näher. Ein neuer Apparat zur mobilen DNA-Produktion soll, wenn es nach dem Erfinder geht, auch die Besiedelung des Weltraums vorantreiben.
Illustration: Ben Ruby

Der Biotech-Unternehmer Craig Venter hat ein Gerät entwickelt, das uralte Science-Fiction-Träume ein Stücken näher rücken lässt. Mit seinem Digital-to-Biological-Converter (DBC) will er nichts weniger als eine "biologische Teleportation" möglich machen. So nennt Venter ein Verfahren, das Lebewesen einfach als Daten durch den Raum schickt und an einem fernen Ort wieder ausdruckt. Statt beschwerlich durch Raum und Zeit zu reisen, könnte es in Zukunft reichen, einfach einen Apparat wie den DBC anzuwerfen.

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Der DBC sieht zwar auf den ersten Blick nach nicht viel mehr als einem Kasten aus, der auf einen zweigeschossigen Rollwagen montiert wurde. Was jedoch unter der Haube steckt, hat es in sich: Die Maschine soll tatsächlich in der Lage sein, Grundsteine des biologischen Lebens wie Gensequenzen oder Proteine auszudrucken. Als Zutaten für die Produktion dienen dabei die grundlegenden Bausteine des Lebens: die Nukleinbasen Adenin, Cytosin, Guanin und Thymin.

Der DBC ist selbstverständlich mit dem Internet verbunden – die Befehle zum Drucken können also problemlos auch aus der Ferne geschickt werden. Craig Venter, dessen Firma hinter der Entwicklung steckt, ist längst kein Unbekannter in Sachen futuristischer Entwicklungen: Er war als Pionier der Genom-Sequenzierung auch maßgeblich an einigen der größten Durchbrüchen der Genforschung beteiligt. Insbesondere der Wettlauf um die Entschlüsselung des menschlichen Erbgutes machte ihn vor Jahren weltweit bekannt – unter anderem auch weil er ein eigenes Verfahren vorstellte, das günstiger und schneller als das renommierte internationale Human Genome Project zum Ziel kam.

Schon seit 2013 kündigt Venter eine Maschine wie den DBC an, damals schrieb er über das Konzept in seinem Buch Life At The Speed Of Light. Mit einem Vorläufergerät, das noch einen begrenzteren Funktionsumfang hat, gelang es seiner Firma Synthetic Genomics bereits, in besonders kurzer Zeit einen Impfstoff gegen die Vogelgrippe zu synthetisieren. Das habe laut Venter sogar den Tesla-Chef Elon Musk auf den Plan gerufen. Der denke darüber nach, ein weiter entwickeltes DBC-Modell in einer fernen Zukunft zu verwenden, um Bakterien auf dem Mars zu drucken und so die Besiedlung und Versorgung der Menschen zu erleichtern. Die Maschine könnte beispielsweise individuell benötigte Medizin zum Ausdrucken auf den roten Planeten mailen.

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Der DBC. Foto: Nature Biotechnology | Venter et. al

Venter jedenfalls ist schon heute überzeugt, dass seine Entwicklung einmal einen wichtigen Dienst leisten wird: "Es wird immens wichtig sein, Antimikrobiotika und Impfstoffe ins Weltall zu bringen – und das nicht mit der langsamen Geschwindigkeit einer Rakete", erklärt Venter gegenüber Motherboard.

Wie der DBC funktioniert, beschreibt ein Peer-Review-geprüftes Paper, das in diesem Monat in der Fachzeitschrift Nature Biotechnology erschienen ist. Bereits heute kann der DBC folgende biologische Stoffe drucken: DNA, die zur Dekodierung von DNA-Informationen wichtige RNA, Viren, einige Impfstoffe und Bakteriophagen zur Bekämpfung von Infektionen. Die Maschine kann außerdem jenes synthetische Bakterium drucken, das Venter letztes Jahr entwickelt hat und das mit nur 437 Genen angeblich die simpelste Lebensform überhaupt sein soll.

Venter setzt große Hoffnungen in den DBC: Wenn sein Plan aufgeht, könnte die Maschine nichts weniger als den Beginn einer globalen Medizinrevolution markieren. "Wenn du einen DBC an deinen Computer anschließt, könnten wir dir Insulin oder einen Impfstoff per Mail schicken und das Gerät würde ihn gebrauchsfertig für dich herstellen", sagt Venter. "Wenn wir all die Medikamente auf Proteinbasis per E-Mail anstatt aus der Apotheke ausliefern könnten, sähe die Welt ganz anders aus."

Seine Vision ist es, dass jedes größere Krankenhaus und jede große Firma auf der Welt einen DBC besitzt. Wenn eine Epidemie ausbricht, könnte der Impfstoff innerhalb weniger Minuten digital um die Welt geschickt werden und vor Ort produziert werden. "Wir könnten Pandemien schnell aufhalten", so Venter.

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Eine grafische Darstellung des Druckers und seiner Funktionsweise. Foto: Nature Biotechnology

Doch gleichzeitig steht die Maschine auch noch vor diversen Problemen. Bisher ist eine DNA-Synthese mit dem DBC ein extrem ressourcenfressender und teurer Prozess – auch läuft längst nicht jede Synthese fehlerfrei ab. Um besser zu verstehen, welche Herausforderungen noch auf die DBC-Entwickler warten, habe ich den leitenden Synthetic Genomics-Wissenschaftler Daniel Gibson angerufen.

Laut Venter ist Gibson für einen wesentlichen Teil der Grundlagenforschung am DBC mitverantwortlich. Seine Einschätzung: Was die mittelfristigen medizinischen Anwendungsmöglichkeiten angeht, ist Gibson genauso enthusiastisch wie Venter – in Bezug auf die visionären Weltraumpläne seines Chefs ist er wesentlich pragmatischer: "Es ist am besten sich nicht zu sehr ablenken zu lassen", sagt er trocken zu den Utopien der Teleportation. Gibson weiß nur zu gut, wie viel Arbeit noch vor den Forschern liegt, bis wir eines Tages DNA-Gebilde im Weltall drucken können, die größer als ein einzelner Virus sind – vom Drucken von menschlichen Organismen ganz zu schweigen.

Darstellung der einzelnen Schritte, die der DBC automatisiert. Illustration: Nature Biotechnology

Neben der Ressourcenverschwendung weist Gibson noch auf ein weiteres Problem hin: Die DNA-Synthese ist anfällig für ungewollte Mutationen. Wie man im Nature-Paper nachlesen kann, ist der DBC für die momentan anvisierten sehr kleinen DNA-Gebilde schon gut aufgestellt. Je komplexer jedoch die zu druckenden Organismen werden, desto höher ist auch die Gefahr, dass es zu ungewünschten Mutationen in der DNA kommt, die alles kaputt machen: "Es muss nur eine DNA-Base inkorrekt sein, damit ein Protein nicht funktioniert, oder ein Stoff nicht tut, was er tun soll; oder eine Zelle nicht so arbeitet, wie geplant", mahnt Gibson.

Klar ist: Damit der DBC Venters Visionen wirklich eines Tages in die Tat umsetzen kann, braucht es all die revolutionäre Technik, die schon heute im DBC steckt und noch dazu viele weitere Entwicklungen, an die bislang noch gar niemand gedacht hat. Auch Venter ist sich über die Herausforderungen im Klaren ist, die noch vor Synthetic Genomics liegen – doch letztlich steckt er voll von jenem Optimismus und Glaube an die menschliche Innovationskraft, die für das Silicon Valley so typisch ist: "Schau nur, wie schnell wir von der Erfindung der Gebrüder Wright zum Überschallflugzeug gekommen sind. Oder im Bereich der Biotechnologie von den ersten sehr simplen Methoden der DNA-Synthese zu den Möglichkeiten, die wir schon heute haben: Wir können im Durchschnitt alle 12 bis 15 Minuten, 24 Stunden am Tag ein menschliches Genom zu entschlüsseln", entgegnet Venter. "Noch ähnelt der DBC eher dem ersten Flugzeug der Gebrüder Wright als dem ultimativen biologischen Teleporter."

Selbst wenn die kühnsten Anwendungsmöglichkeiten, die sich Venter erträumt, mit dem DBC nie Wirklichkeit werden, ist eines schon jetzt absehbar: Die synthetische Biologie und Apparate wie der DBC werden die Medizin in den nächsten Jahrzehnten revolutionieren, Epidemien eindämmen helfen und die Welt ein bisschen besser machen.